Donnerstag, 31. Juli 2014

Elemental

Kapitel 1 - Teil 2

Er hatte den Satz kaum zuende gesprochen, als der ältere der beiden Kpfgeldjäger sich auf die Knie fallen ließ und seine Hände tief in das matschige Erdreich vor seinen Füßen rammte. Vor Roderiks Füßen brach der nasse Waldboden auf. Eine scharfe Felsnadel schoss aus dem Schlamm und zerriss die Luft dort wo noch vor dem Bruchteil einer Sekunde Roderiks Kopf gewesen war.
 Die Augenbrauen des älteren Mannes zogen sich überrascht zusammen. Sein Blick war auf seinen Gegner gerichtet, der jetzt einige Meter über den beiden Männern an einem der Bäume hing. Lediglich ein paar zitternde Äste ließen darauf schließen wie er dorthin gekommen war.
 Der jüngere Kopfgeldjäger schien dem Geschehen keine Beachtung zu schenken. Er murmelte unverständlich einige Sätze und starrte völlig geistesabwesend in den Himmel über sich. Ein scharfer Wind war aufgekommen. Roderik hielt kurz inne und warf einen Blick auf die Wolken, die begonnen hatten sich in bläuliches Schwarz zu färben. Dann sprang er wieder auf den Boden.
 Der ältere Mann reagierte ohne zögern. Wieder rammte er seine Fäuste in den Boden, diesmal schob er das Erdreich mit einer schwimmenden Bewegung auseinander.
 Roderiks hatte noch nicht einmal die Hälfte seines Sprunges hinter sich gebracht, als sich unter ihm ein Spalt auftat der mehrere dutzend Meter in den Boden zu reichen schien. Wurzelwerk war entzweigerissen worden und nasse Erde regnete in die Tiefe.
 Ausweichen war keine Option mehr. Roderik warf einen kurzen Blick auf die nahen Bäume und streckte seine Arme gebietend in ihre Richtung. Wie im Zeitraffer sprossen aus den Baumrinden lange, dünne Ranken, die auf die hilfesuchenden Finger des Mannes zuschossen.
 Roderik hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Sein Blick streifte den des jungen Mannes, der aufgehört hatte in den Himmel zu starren und ihn unverwandt anblickte. Ohne den Blick abzuwenden begann er mit seinem Zeigefinger eine kreisende Bewegung auszuführen. Schneller und immer schneller.
 Eine Böe, stark wie ein Orkan, erfasste die Ranken und schleuderte sie wie Fäden beiseite. Der Spalt verschluckte Roderik in einem Stück und schloss sich so schnell über ihm, wie er sich geöffnet hatte. Einen kurzen Moment lang herrschte vollkommene Stille im Wald. Dann hustete der ältere der beiden Männer trocken und streckte sich gemächlich.
 "Hoffentlich ist sein Gesicht noch zu erkennen. Wenn die überhaupt wussten wie Roderik aussah." verkündete er schließlich müde.
 Der Jüngere der beiden zitterte nicht mehr. Sein Gesichtsausdruck war unverändert ernst, lediglich seine Augen schienen von dem Geschehen mitgerissen worden zu sein und leuchteten aufgeregt. Auf ein Zeichen des Älteren öffnete sich der Spalt erneut, diesmal langsamer als vorher. Die beiden Männer traten näher und warfen suchende Blicke in den Schlund. "Nicht mehr als ein paar Blutspritzer, das wird der Inquisition nicht gefallen." grummelte der ältere der beiden schließlich und trat wieder ein paar Schritte zurück.
 Der Jüngere nickte und kniete an dem Rand des Spaltes nieder. Tatsächlich waren einige Blutspuren zu sehen, vieles schien jedoch von der Erde verschluckt worden zu sein. Die Sonne war noch immer hinter einer dichten Wolkendecke verborgen und es war schwer den tieferen Teil des Spaltes zu sehen, viel von einer Leiche war jedoch nicht zu entdecken. Vermutlich hatte sich der neue Spalt nicht an der gleichen Stelle aufgetan. Der junge Mann nickte ruckartig und griff nach einem kleinen Stofffetzen. Als er zu sprechen begann, klang seine Stimme sanft, und melodisch. "Wir müssen den Boden genauer durchsieben, vielleicht finden wir..." Weiter kam er nicht. Hätte er sich zum Sprechen umgedreht hätte er möglicherweise den Holzpflock kommen sehen, den Roderik in seinen Begleiter geschleudert hatte. Wenigstens den zweiten, messerscharfen Keil hätte er entdeckt bevor er sich durch seine Kehle bohrte, doch so sackte er gurgelnd am Rand des Spaltes in sich zusammen.

Roderik trat gänzlich aus dem Baum heraus und stürzte augenblicklich zuboden. Vor einigen Monaten hätte er es wohl noch geschafft, in der Zeit in der sich der Spalt geschlossen hatte, gänzlich mit den zerrissenen Wurzeln zu verschmelzen. Der blutende Stumpf an dem einmal sein Handgelenk gewesen war, zeigte ihm jedoch wie sehr die monatelange Reise ihm zugesetzt hatte. Roderik warf einen kurzen Blick auf die sterbenden Kopfgeldjäger, bevor er sich unter einer neuen Welle des Schmerzes zusammenkrümmte. Es tat ihm Leid, dass er den Baum hatte zwingen müssen Pflöcke aus eigenem Holz auf seine beiden Gegner zu schießen, doch es hatte sein Leben gerettet. Vorsichtig versuchte er zu seinem Rucksack in der Jagthütte zu kriechen, doch der stechende Schmerz in seinem Unterarm ließ ihn augenblicklich innehalten. Roderik stieß einen animalischen Schrei aus, bevor er wieder die Zähne zusammenbiss. Dunkelheit begann sich vom Rand seines Blickfeldes auszubreiten und der erschöpfte Wanderer lehnte sich mit letzter Kraft an den Baum. Wenn seine Informationen stimmten, wäre das Ziel seiner Reise jedes Opfer wert. Eine Hand, oder ein Leben spielten keine Rolle.
Stunden später brach die Sonne wieder aus den Wolken hervor und leuchtete vorsichtig auf den Waldweg herab. Die Natur hatte begonnen den Pfad wieder unter Kontrolle zu bringen. Lehm und feuchte Erdbrocken hatten Teile des Spaltes gänzlich zugeschüttet und ein hungriger Wolf nagte an einer der beiden Leichen. In der Jagthütte waren ein paar blutige Leinentücher achtlos in eine Ecke geworfen worden und auf dem Dach jagte ein aufgebrachtes Eichhörnchen einem Borkenkäfer hinterher.

Mittwoch, 30. Juli 2014

Elemental

Kapitel 1 - Teil 1

Ein unruhiges Zittern lag in der Luft. Die milde Spätsommersonne war hinter einer schwarzen Wolkenbank versunken und ein scharfer Wind war aufgekommen. Ein zufällig vorbeilaufender Wanderer hätte sich beeilt um Schutz für die Nacht zu suchen, doch der Mann auf dem Dach der morschen Jägerhütte hatte eine meditative Haltung angenommen. Ein metallischer Geschmack in der Luft war ihm vor einigen Stunden aufgefallen und so hatte er sich beeilt den Wald zu erreichen. Sein Rucksack lag in der Hütte, unter einem zerbrochenen Tisch. Dort wo er nicht nass werden würde.
 Der Regen setzte geradezu unnatürlich plötzlich ein, als hätte jemand einen Eimer gefüllt der nun überlief. Binnen weniger Sekunden hatten sich Pfützen auf dem Weg gebildet und zwischen den Wurzeln der Bäume formten sich kleine Sturzbäche. Minutenlang ergoss sich die Flut über den Mann auf dem Dach, der regungslos, mit überschlagenen Beinen in die Ferne starrte. Die besten Jahre hatte er bereits hinter sich. Sein struppiger, grauer Bart wuchs völlig ungehindert in jede mögliche Richtung und die schlichte Stoffkleidung, die ihn mehr schlecht als recht vor dem Wetter zu schützen schien war alt und wenig gepflegt. Auf einigen Stellen seiner Hose zeigten sich Spuren von Moos und Flechten, als habe der Mann Monate in der Wildnis verbracht.
 Ein kleines Eichhörnchen hatte neben dem Rucksack Schutz vor dem Platzregen gesucht und schnüffelte neugierig in den wenigen Habseligkeiten des Wanderers herum. Der Mann schien völlig in sich gekehrt. Seine Augen waren geschlossen, lediglich sein Brustkorb hob und senkte sich in regelmäßigen Abständen.
 Der Regen ebbte so plötzlich ab wie er begonnen hatte. Die letzten Tropfen würden noch ein paar Minuten brauchen um ihren Weg durch die Baumkronen zu finden, der metallische Geruch war jedoch gänzlich verschwunden. Der Mann hatte seine Augen geöffnet und beobachtete den schmalen, zur Hütte führenden Waldpfad, als erwarte er etwas bestimmtes. Minutenlang geschah nichts. Die nussbraunen Augen des Wanderers bewegten sich kaum vom Pfad weg. Das Eichhörnchen hatte sich mit einer feuchten Ecke Brot längst aus dem Staub gemacht, als Schritte in der Ferne erklangen. Zwei oder drei Personen, die sich rasch näherten. Der Mann schien kaum zu reagieren. Seine Kiefermuskeln spannten sich leicht an und sein Blick wanderte ein paar Sekunden lang prüfend über die Baumkronen. Dann wandte er sich wieder dem Pfad zu. Die klare Luft des reingewaschenen Waldes war einem moderigen, fast fauligem Geruch gewichen, als habe der Regen das Erdwerk hoch in die Luft gewirbelt.
 Ein Husten ertönte und zwei Männer traten in das Blickfeld des regungslosen Wanderers. Beide waren in die gleiche, mit schlichtem Hanfseil gebundene, grünliche Kutte gekleidet und unterschieden sich lediglich in der Form der Brosche die sie trugen. Der Mann auf dem Dach nickte ihnen kaum merklich zu und der ältere der Neuankömmlinge nickte zurück. Ein paar Sekunden lang blickten sich beide Parteien schweigend an. Der jüngere der beiden Wanderer schien nervös zu zittern, aber seine Miene war ernst und wie aus Stein gehämmert.
 "Viertausend Goldstücke, Roderik Harlen. Ihr seid ein teurer Mann," sagte der Ältere schließlich mit einer sanften, tiefen Stimme. Roderik, der Mann auf dem Dach der Hütte, nickte leicht.
 "Die Inquisition ist nicht für ihren Geiz bekannt, nicht wahr?" antwortete er krächzend, als habe er lange nicht mehr gesprochen. "Ich kann Euch leider nicht mehr bieten als das was ich am Leibe habe." Roderik schien völlig gelassen auf dem Hüttendach zu sitzen, sein Blick tastete jedoch jedes Detail seiner beiden Verfolger ab. Der jüngere der beiden musste den Regen verursacht haben um ihn zu finden. Noch immer ging ein leichter Rostgeruch von ihm aus und der Kopfgeldjäger schien vor Erschöpfung zu beben.
 Beide Seiten schienen sich prüfend anzustarren, schließlich ergriff der Ältere wieder das Wort. "Der Auftrag setzt euren Tod nicht voraus, Roderik. Wir haben uns eine fabelhafte Verfolgungsjagd geliefert, es wäre eine Schande jetzt kämpfen zu müssen." Roderik erhob sich aus seinem Schneidersitz und klopfte langsam den gröbsten Dreck von seiner Hose. Die beiden Männer sahen bewegungslos dabei zu wie er langsam, aber scheinbar ohne jegliche Anstrengung von der Hütte kletterte und sich ruhig in die Mitte des Weges stellte. Schließlich stieß Roderik einen langgezogenen Seufzer aus und schüttelte vehement den Kopf. "Ich fürchte das ist keine Option mehr, meine Herren."

Er hatte den Satz kaum zuende gesprochen, als der ältere der beiden Kpfgeldjäger sich auf die Knie fallen ließ und seine Hände tief in das matschige Erdreich vor seinen Füßen rammte. Vor Roderiks Füßen brach der nasse Waldboden auf. Eine scharfe Felsnadel schoss aus dem Schlamm und zerriss die Luft dort wo noch vor dem Bruchteil einer Sekunde Roderiks Kopf gewesen war.
 Die Augenbrauen des älteren Mannes zogen sich überrascht zusammen. Sein Blick war auf seinen Gegner gerichtet, der jetzt einige Meter über den beiden Männern an einem der Bäume hing. Lediglich ein paar zitternde Äste ließen darauf schließen, dass er blitzschnell dort hinaufgeklettert sein musste.
 Roderik warf seinen beiden Verfolgern einen prüfenden Blick zu.Der jüngere Kopfgeldjäger schien dem Geschehen keine Beachtung zu schenken. Er murmelte unverständlich einige Sätze und starrte völlig geistesabwesend in den Himmel über sich. Ein scharfer Wind war aufgekommen. Roderik hielt kurz inne und warf einen Blick auf die Wolken, die begonnen hatten sich in bläuliches Schwarz zu färben. Dann sprang er wieder auf den Boden.
 Der ältere Mann reagierte ohne zögern. Wieder rammte er seine Fäuste in den Boden, diesmal schob er das Erdreich mit einer schwimmenden Bewegung auseinander.
Roderiks hatte lediglich einen Bruchteil seines Sprunges hinter sich gebracht, als sich unter ihm ein Spalt auftat der mehrere dutzend Meter in den Boden zu reichen schien. Wurzelwerk war entzweigerissen worden und nasse Erde regnete in die Tiefe.
Ausweichen war keine Option mehr. Roderik warf einen kurzen Blick auf die nahen Bäume und streckte seine Arme gebietend in ihre Richtung. Wie im Zeitraffer sprossen aus den Baumrinden lange, dünne Ranken, die auf die hilfesuchenden Finger des Mannes zuschossen.
 Roderik hatte die Rechnung ohne seine Gegner gemacht. Sein Blick streifte den des jungen Mannes, der aufgehört hatte in den Himmel zu starren und ihn unverwandt anblickte. Ohne den Blick abzuwenden begann er mit seinem Zeigefinger eine kreisende Bewegung auszuführen. Schneller und immer schneller.
 Eine Böe, stark wie ein Orkan, erfasste die Ranken und schleuderte sie wie Fäden beiseite. Der Spalt verschluckte Roderik in einem Stück und schloss sich so schnell über ihm, wie er sich geöffnet hatte. Einen kurzen Moment lang herrschte vollkommene Stille im Wald. Dann hustete der ältere der beiden Männer trocken und streckte sich gemächlich.
"Hoffentlich ist sein Gesicht noch zu erkennen. Wenn die überhaupt wussten wie Roderik aussah." verkündete er schließlich müde.
 Der Jüngere der beiden zitterte nicht mehr. Sein Gesichtsausdruck war unverändert ernst, lediglich seine Augen schienen von dem Geschehen mitgerissen worden zu sein und leuchteten aufgeregt. Auf ein Zeichen des Älteren öffnete sich der Spalt erneut, diesmal langsamer als vorher. Die beiden Männer traten näher und warfen suchende Blicke in den Schlund. "Nicht mehr als ein paar Blutspritzer, das wird der Inquisition nicht gefallen." grummelte der ältere der beiden schließlich und trat wieder ein paar Schritte zurück.
Der Jüngere nickte und kniete an dem Rand des Spaltes nieder. Tatsächlich waren nur einige Blutspuren zu sehen, vieles schien von der Erde verschluckt worden zu sein. Die Sonne war noch immer hinter einer dichten Wolkendecke verborgen und es war schwer den tieferen Teil des Spaltes zu sehen, eine Leiche ließ sich jedoch nicht entdecken. Vermutlich hatte sich der neue Spalt nicht an der gleichen Stelle aufgetan. Der junge Mann nickte ruckartig und griff nach einem kleinen Stofffetzen. Als er zu sprechen begann, klang seine Stimme sanft, und melodisch. "Wir müssen den Boden genauer durchsieben, vielleicht finden wir..." Weiter kam er nicht. Hätte er sich zum Sprechen umgedreht hätte er möglicherweise den Holzpflock kommen sehen, den Roderik in seinen Begleiter geschleudert hatte. Wenigstens den zweiten, messerscharfen Keil hätte er entdeckt bevor er sich durch seine Kehle bohrte, doch so sackte er gurgelnd am Rand des Spaltes in sich zusammen.

Roderik trat gänzlich aus dem Baum heraus und stürzte augenblicklich zuboden. Vor einigen Monaten hätte er es wohl noch geschafft, in der Zeit in der sich der Spalt geschlossen hatte, gänzlich mit den zerrissenen Wurzeln zu verschmelzen. Der blutende Stumpf an dem einmal sein Handgelenk gewesen war, zeigte ihm jedoch wie sehr die lange Reise ihm zugesetzt hatte. Roderik warf einen kurzen Blick auf die sterbenden Kopfgeldjäger, bevor er sich unter einer neuen Welle des Schmerzes zusammenkrümmte. Es tat ihm Leid, dass er den Baum hatte zwingen müssen Pflöcke aus eigenem Holz auf seine beiden Gegner zu schleudern, doch es hatte sein Leben gerettet. Vorsichtig versuchte er zu seinem Rucksack in der Jagthütte zu kriechen, doch der stechende Schmerz in seinem Unterarm ließ ihn augenblicklich innehalten. Roderik stieß einen animalischen Schrei aus, bevor er wieder die Zähne zusammenbiss. Dunkelheit begann sich vom Rand seines Blickfeldes auszubreiten und der erschöpfte Wanderer lehnte sich mit letzter Kraft an den Baum. Wenn seine Informationen stimmten, wäre das Ziel seiner Reise jedes Opfer wert. Eine Hand, oder ein Leben spielten keine Rolle.


Stunden später brach die Sonne wieder aus den Wolken hervor und leuchtete vorsichtig auf den Waldweg herab. Die Natur hatte begonnen den Pfad wieder unter Kontrolle zu bringen. Lehm und feuchte Erdbrocken hatten Teile des Spaltes gänzlich zugeschüttet und ein hungriger Wolf nagte an einer der beiden Leichen. In der Jagthütte waren ein paar blutige Leinentücher achtlos in eine Ecke geworfen worden und auf dem Dach jagte ein aufgebrachtes Eichhörnchen einem Borkenkäfer hinterher.