Dienstag, 12. August 2014

Elemental

Kapitel 2 - Teil 1

Der Vorsitzende des Zulassungskomitees schob gelangweilt seine Brille zurecht und warf einen Blick auf den Stapel Papiere vor sich. Ein Stuhl ächzte, als sich einer der anderen Juroren gemächlich zurücklehnte, dann herrschte einen Moment Ruhe. Vor den Fenstern schien die Spätsommersonne großzügig auf den Hofgarten herab, aber die dicken Satinvorhänge waren zugezogen. Eine Kerze flackerte unruhig.
 "Sie sind die erste Gruppe?" Die Stimme des Vorsitzenden klang sanfter als Jana es erwartet hatte, beinahe liebenswürdig. Joseph von Wolkenstein war ein Berg von einem Mann, berüchtigt für seinen Appetit auf Banketten. Das Ächzen des zarten Eichenstuhls unter ihm tat seiner autoritären Ausstrahlung keinen Abklang. Dieser Mann war am Hofe eines Königs aufgewachsen und setzte sich mit jeder seiner Gesten vom gemeinen Stadtadel ab.
 Einer der beiden Jungen, die links und rechts von Jana Platz genommen hatten nickte und erhob sich. Der jüngste Sohn des Grafen zu Furchengrundt, sie hatte ihn ein paarmal auf Dorffesten gesehen. Sein Name war ihr entfallen. "Torben zu Furchengrundt, zu Ihren Diensten." Er machte eine gelenke Verbeugung und setzte sich wieder, den Blick auf seine beiden Konkurrenten gerichtet.
 Links neben Jana sprang der andere Junge auf. Horge, der Sohn des Schusters. In der Schule hatte er sich einen Ruf als Tunichtgut erarbeitet und war öfter in der Werkstatt, als im Klassenzimmer aufzufinden gewesen. Es wunderte Jana, dass er nun eine Zulassung in die königliche Akademie anzustreben schien. "Horge, mein Herr. Ich habe keinen zweiten Namen. Es ist mir eine Ehre hiersein zu dürfen." Er zitterte leicht, als er sich verbeugte. Joseph von Wolkenstein schob einige Papiere zurecht und warf zum ersten Mal einen Blick auf die drei jungen Menschen vor sich. "Du bist ein Bastard?" fragte er schließlich ohne sich eine Spur von Herablassung anmerken zu lassen. Von der Seite sah Jana, wie Horge inmitten seiner tiefen Verbeugung scharlachrot anlief. "Ich... ja, Herr," antwortete er stotternd. Der Vorsitzende nickte leicht und musterte Jana. "Wollen Sie sich nicht auch vorstellen, Fräulein Hohenfels? Oder soll ich das für Sie erledigen?" sagte er nach einem Moment Pause. Einer der anderen vier Juroren lachte kurz, ein jüngerer Mann mit stoppeligem Bart. Die anderen schienen den Witz nicht einmal bemerkt zu haben.
 Nun war es an Jana zu erröten. Eilig stand sie auf und machte einen tiefen Knicks. Eine braune Locke löste sich aus ihrem Zopf und baumelte vor ihrem Auge herum. "Jana Hohenfels, zu ihren Diensten." stieß sie eilig hervor und setzte sich wieder.
 Das Ende der Vorstellungen schien die Juroren endlich aus ihrer anfänglichen Lethargie zu erwecken. Federn wurden gezückt und für kurze Zeit war das Rascheln der Papiere das einzige Geräusch im Raum. Dann ergriff Wolkenstein wieder das Wort. "Ich hoffe Sie kommen nicht völlig unvorbereitet hierher? Ich möchte sie darauf hinweisen, dass dieses Zulassungsgespräch für Sie nicht ein zweites Mal stattfinden wird. Wenn Sie Fragen haben, dann stellen Sie diese jetzt, ansonsten beginnen wir." Er pausierte kurz, ohne den Blick auf die Prüflinge zu richten. Seine Frage war rein formal gemeint. Niemend würde etwas sagen. "Nun gut," sagte er schließlich. "Wir werden damit beginnen Ihnen einige theoretische Fragen aus verschieden Themengebieten zu stellen. Wenn das erledigt ist, wird es eine kurze Pause geben, in der das Komitee die Ergebnisse bespricht. Anschließend werden wir möglicherweise einen von Ihnen zu einer persönlichen Vorstellung noch einmal hereinrufen. Baron von Jehringen, fahren Sie fort?"

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